Krisen und Reformen: Die Orden im Wandel (16. - 20. Jahrhundert)

Krisen und Reformen: Die Orden im Wandel (16. - 20. Jahrhundert)

Organisatoren
ARGE Ordensarchive Österreichs ; Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ordensarchive (AGOA)
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
27.04.2009 - 30.04.2009
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Von
Clemens Brodkorb, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ordensarchive (AGOA), Provinzarchiv der Jesuiten in München; Helga Penz, Wien

Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Superiorenkonferenz, der Vereinigung der Höheren Oberen der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs, wurde die Jahrestagung der ARGE Ordensarchive Österreichs in diesem Jahr gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ordensarchive (AGOA) in Wien veranstaltet. Die Vorstände beider Arbeitsgemeinschaften hatten ein ordenshistorisches Programm unter dem Titel "Krisen und Reformen: Die Orden im Wandel" (16. - 20. Jahrhundert) vorbereitet. An dieses schloss sich der archivfachliche Teil der Jahrestagung an. Die Tagung fand vom 27. bis 30. April 2009 im Kardinal-König-Haus statt und war zugleich eine Jubiläumstagung für die österreichische Superiorenkonferenz sowie die erste internationale Ordensarchivtagung, zu der 110 Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aus Österreich, Deutschland, Schweiz, Niederlande, Belgien, Ungarn und Italien eintrafen.

HELGA PENZ (Wien/Herzogenburg) referierte unter dem Titel "Tradition und Innovation" aus der 50-jährigen Geschichte der österreichischen Superiorenkonferenz, die – mit ihren Anfängen bis ins Jahr 1950 zurückreichend – am 12. November 1959 kanonisch errichtet worden war, und ging besonders auf die Zeit unter dem ersten Vorsitzenden Prälat Propst Gebhard Koberger aus Klosterneuburg ein, der die Superiorenkonferenz bis zum Jahr 1974 präsidierte. Anlass zu einem gezielt gemeinschaftlichen Vorgehen waren zunächst vermögensrechtliche Fragen der Katholischen Kirche gewesen, besonders die Entschädigung für den Vermögensentzug während des nationalsozialistischen Regimes. Außerdem wurde bereits vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil intensiv über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens diskutiert.

ANTONIA LEUGERS (München) präsentierte die Geschichte der mehr als doppelt so alten deutschen Schwesterorganisation, die 1898 als "Superiorenkonferenz" gegründet worden war. Es handelte sich um einen Zusammenschluss der missionierenden Orden Deutschlands, aus dem 1946 die "Vereinigung Deutscher Ordensobern" (VDO) hervorgegangen ist. Die Referentin hat aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der VDO bereits 1998 eine sehr quellendichte Monographie über die Geschichte dieses weltweit ersten Zusammenschlusses von Äbten und Provinzialen vorgelegt.

GISELA FLECKENSTEIN (Historisches Archiv der Stadt Köln, Leiterin des Archivs im Haus der Orden in Bonn) referierte über "Klöster und Ordensgemeinschaften in den Krisen des 19. und 20. Jahrhunderts". Fleckenstein definierte einen sehr weiten Begriff von Krise: als Zeit grundlegender Änderungen in der Ordenslandschaft. Ausgehend von der Blütezeit der karitativ tätigen Ordensgemeinschaften in der Zeit nach der Säkularisation und der Restauration der alten Orden in den folgenden Jahren, lenkte sie den Blick auf die Herausforderungen, die den Gemeinschaften durch externe Krisensituationen wie Kulturkampf, Weltkriege und totalitäre Regime entgegentraten. Auch das Zweite Vatikanischen Konzil wird als Krisenzeit definiert, denn die geforderte Anpassung des Ordenslebens an die moderne veränderte Welt bewirkte nachhaltige Veränderungen in den Ordensgemeinschaften und eröffnete einen Prozess, der bis heute andauert. Der Vortrag von Frau Fleckenstein wirkte äußert anregend und gab Anlass für eine sehr lebhafte Diskussion.

ANNE CONRAD (Institut für Katholische Theologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken) sprach zum Thema "Was vom Ordensleben übrigblieb: Die Überlieferung zur Geschichte der neuen Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit". Dabei hob sie hervor, dass sich die thematisierte Frage für die in der Frühen Neuzeit entstandenen Gemeinschaften sowohl quantitativ als auch qualitativ in besonderer Weise stellt. Einerseits existiere eine reichhaltige Überlieferung (Selbstzeugnisse, Chroniken, Korrespondenzen, Rechtsgutachten, Schriften und Bücher für und über die Gemeinschaften), doch stecke deren Auswertung andererseits noch in den Anfängen. Wesentlich geprägt seien diese Quellen zum einen vom Diskurs um das Für und Wider des viele dieser Gemeinschaften prägenden "semireligiösen" Standes zwischen Welt und Kloster, zum anderen aber auch von den Schwierigkeiten, mit denen die neuen Orden in ihren Anfängen zu kämpfen hatten und die dazu führten, dass Quellen unterdrückt, ignoriert oder selektiert wurden. Nicht zuletzt die zunächst unsichere wirtschaftliche Existenz und die noch wenig gefestigten Strukturen verhinderten zum Teil eine systematische Sammlung und Tradierung schriftlicher Quellen. Der Vortrag präsentierte spannende neue Forschungsansätze aus der in den letzten Jahren auch aufgrund der Tätigkeit von Anne Conrad intensivierten Geschichtsschreibung der frühneuzeitlichen Frauenorden.

PATRICK FISKA (Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien, Forschungsprojekt "Monastische Aufklärung und benediktinische Gelehrtenrepublik") untersuchte das Verhältnis von "Archiv und Geschichte" und stellte dabei "die österreichischen Stifte als Schrittmacher der österreichischen Geschichtsforschung" heraus. Zunächst habe die monastische historiographische Tätigkeit ihren Ursprung in der Beschäftigung mit der Hausgeschichte des eigenen Klosters oder des jeweiligen Ordens gehabt, doch zeichnete sich allmählich auch die Bedeutung der Klöster für die Historiographie der Habsburgermonarchie, besonders für die Landesgeschichte, ab. Hervorzuheben sei unter anderem die unverkennbare Pionierleistung der österreichischen Klöster in den sich seit dem 17. Jahrhundert entwickelnden historischen Hilfswissenschaften wie Diplomatik und Paläographie oder auch in den modernen Ordnungssystemen der Klosterarchive. Archivare der österreichischen Stifte hatten nicht nur wichtige Funktionen im staatlichen Archivwesen Österreichs inne, sie gestalteten auch in verantwortlichen Positionen die Entwicklung des 1854 gegründeten Instituts für österreichische Geschichtsforschung mit, an dem bis heute die akademischen Archivarinnen und Archivare ausgebildet werden. Der Vortrag war sehr lebendig und anschaulich und schlug verbindende Brücken zwischen mehreren Feldern einer bereits traditionsreichen Wissenschaftsgeschichte.

NORBERT WOLFF SDB (Philosophisch-Theologische Hochschule der Salesianer in Benediktbeuern) referierte unter der Überschrift "Krise und Wandel" über "Die Transformation der Orden im 19. Jahrhundert im Spiegel der Quellen". Er sprach vom "langen 19. Jahrhundert" (1789--1917), das für das katholische Ordensleben mit zahlreichen Transformationen verbunden gewesen sei. Die in Mitteleuropa tätigen Orden hätten in dieser Zeit verschiedenartige Krisensituationen zu bewältigen gehabt. Hinzu seien gesellschaftliche Veränderungen getreten, auf die die Orden mit der Kirche eine Antwort hätten geben müssen, die zugleich aber auch neue Entfaltungsmöglichkeiten boten. Dementsprechend vielfältig habe der Wandel ausgesehen, der im Referat zunächst im Allgemeinen, dann am konkreten Beispiel der Salesianer Don Boscos dargestellt wurde.

Den Abschluss des ordenshistorischen Teils der Tagung bildeten Festakt und Festmesse zum Jubiläum der Superiorenkonferenz im Stift Klosterneuburg. Diese feierliche Veranstaltung war besonders für die ausländischen Gäste eine eindrucksvolle Demonstration der großen Tradition der österreichischen Klöster.

Der große Gewinn dieser Tagung war die Präsentation vergleichender ordenshistorischer Forschung, die heute trotz der vielen verdienstvollen Spezialstudien noch immer Desiderat ist. Die Vorträge boten einen analytischen Blick auf umfassende Transformationsprozesse von Ordenslandschaften. Sie zeichneten Entwicklungslinien nach, die einer ordenshistorischen Forschung Profil auch innerhalb des Faches Kirchengeschichte geben.

Da an der Tagung vorrangig Ordensleute sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilnahmen, erzeugte die Fragestellung nach dem Wandel der Orden in der Neuzeit nicht nur rein akademisches Interesse, sondern war auch von persönlicher Betroffenheit begleitet. Die größere historische Perspektive relativierte den Blick auf die aktuell dramatisch zurückgehenden Eintrittszahlen der Klöster und Orden und bettete die Problemlage der Gegenwart in Entwicklung und Kontext längerfristiger Veränderungen. Die Tagung bot damit ein sehr gelungenes Beispiel einer fruchtbaren Zusammenarbeit der akademischen bzw. universitären Forschung mit den Archivar/innen und Historiker/innen aus den Ordensgemeinschaften - zum Nutzen beider.

Konferenzübersicht:

Helga Penz: Tradition und Innovation. 50 Jahre Superiorenkonferenz.

Antonia Leugers: Erbe und Auftrag. Die Geschichte der deutschen Obernkonferenz.

Gisela Fleckenstein: Klöster und Ordensgemeinschaften in den Krisen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Anne Conrad: Was vom Ordensleben übrigblieb. Die Überlieferung zur Geschichte der neuen Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit.

Patrick Fiska: Archiv und Geschichte. Die österreichischen Stifte als Schrittmacher der österreichischen Geschichtsforschung.

Norbert Wolff SDB: Krise und Wandel. Die Transformation der Orden im 19. Jahrhundert im Spiegel der Quellen.


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